Montag, 23. Dezember 2019

Noch ein Trugschluss


Petitio principii

Wilhelm Rettler

Die Verwendung von lateinischen Ausdrücken für Trugschlüsse soll nicht abschrecken, sondern helfen, Komplexes besser zu behalten. Wörtlich übersetzt bedeutet petitio principii „bittweise Annahme des Beweisgrundes“. Der Sache nach dasselbe ist der Zirkelschluss (circulo vitiosus). Der zu beweisende Satz wird als gegeben vorausgesetzt. Dazu folgender jüdische Witz (nach Schnapp):

Zwei Jeschiwe-Studenten diskutieren: „Eines verstehe ich nicht, Berel, ein frommer Jude darf nicht ohne Kopfbedeckung herumlaufen. Gut. Aber in der Tora steht doch kein Wort davon!“ „Das ist wahr, Schmerel, wörtlich drin stehn tut es nicht. Aber die Tora ist voll von Hinweisen. Da steht z.B. Jacob kam von Beerschewa und ging nach Haran… Glaubst du im Ernst, dass ein frommer Jude wie Jacob eine solch lange Strecke ohne Kopfbedeckung zurückgelegt hat?“

Wir wollen dem Berel zu gute halten, dass er bei dieser Argumentation einem Irrtum unterlag.

Bewusst eingesetzt ist die petitio principii eine Figur der schwarzen Rhetorik und als solche von Arthur Schopenhauer in seinem Büchlein, Eristische Dialektik oder Die Kunst, Recht zu behalten, unter Kunstgriff 6 beschrieben.

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