Sonntag, 29. Dezember 2019

Vorsicht! Begriffsverwirrung!

Ein Kunstgriff der Eristischen Dialekt, immer Recht zu behalten

„Eine ständige Quelle von Irrtümern sind unbestimmte Bedeutungen. Sie entziehen sich der Prüfung und der Verantwortung. Unbestimmtheit verdeckt das unbewusste Vermengen verschiedener Bedeutungen und erleichtert es, eine Bedeutung an Stelle einer anderen zu setzen, und verbirgt den Mangel, überhaupt keine feste Ansicht zu besitzen. Das ist die Erbsünde gegen die Logik, der Ursprung vieler schlechter Folgen für das geistige Leben. Es ist unmöglich, Unbestimmtheit vollständig zu vermeiden: es bedarf aufrichtiger Anstrengung, um sie soweit als möglich auszuschalten.“ (John Dewey, 1859 - 1952, amerikanischer Philosoph und Pädagoge)

„Begriffsverwirrung“ ist ein spannendes Wort. Der aktuelle Online-Duden nennt zwei Bedeutungen, erstens das Durcheinander von Begriffen und zweitens die Unfähigkeiten zu klarem Denken, beginnende geistige Umnachtung. Letztere ist aus sich heraus verständlich, aber was ist mit der Ersten? Dafür muss geklärt werden, was ein Begriff ist.

Im Duden steht dazu:

1. Gesamtheit wesentlicher Merkmale in einer gedanklichen Einheit; geistiger, abstrakter Gehalt von etwas und 

2. Ausdruck, Wort.

Ersteres kommt dem hier vertretenden Verständnis nahe: Danach ist Begriff das von einem sprachlichen Zeichen (Wort, Ausdruck) Gemeinte, seine Bedeutung. Das Fehlen des Bezugs zum Wort ist allerdings ein wesentlicher Mangel der Duden-Definition.
Einen phänomenalen Siegeszug hat das Wort Begriff im zweiten Sinne als Synonym für Ausdruck und Wort hingelegt. Es scheint heute als unfein zu gelten, von Wörtern und Ausdrücken zu sprechen. Man nimmt lieber den „Begriff“ in den Mund, obwohl man ihn (im Sinne von Nr. 1) nicht meint.

Der preußische Aufklärer Johann Daniel Friedrich Rumpf mahnte vor fast zweihundert Jahren „die Wörter, als Zeichen unserer Begriffe, sind von den Begriffen verschieden.“

Setzen wir die zweite Definition des Online-Dudens von Begriff in die zu klärende Bedeutung von Begriffsverwirrung ein, so ergibt sich: Begriffsverwirrung ist das Durcheinander von Wörtern (Ausdrücken), was wiederum sinnfrei ist.

Anders ist es, wenn wir das „Gedankengebilde“ einsetzen. Begriffsverwirrung ist dann das Durcheinander von von sprachlichen Zeichen gemeinten Gedankengebilden.
Ein solcher Fall liegt vor, wenn nicht erkannt wird, dass einem sprachlichen Zeichen mehrere Gedankengebilde korrespondieren, wie bei der quaternio terminorum. Das Wort Begriffsverwirrung macht nur dann einen Sinn, wenn man „Begriff“ als Gedankengebilde auffasst. 



Wilhelm Rettler


Anmerkung von G. Dietmar Rode:


In seinem (nicht ganz ungefährlichen) Büchlein "Die Kunst, Recht zu behalten" formuliert Arthur Schopenhauer den Kunstgriff 36 der Eristischen Dialektik: 
Den Gegner durch sinnlosen Wortschwall verdutzen, verblüffen. Er beruht darauf, dass "Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen." (Goethe, Faust I).
In diesem Sinne sollte wir die politische Sprache der Gegenwart viel kritischer betrachten.

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