Sonntag, 12. Januar 2020

Gehirnknete: Scheindenken

„Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur du denkst“, 

so heißt es in einem etwas älteren Schlager. Spricht dieser Satz dafür, dass es Scheindenken gibt? Wörtlich genommen ja, aber er ist unvollständig. Im Schlager heißt am Ende: „du hast ein leichtes Spiel.“ Vereinfacht: „Du denkst zu Unrecht, dass du ein leichtes
Spiel hast.“ 

Mit Scheindenken hat das nichts zu tun. Aber gibt es Scheindenken überhaupt? Wenn man denkt, dass man denkt, in Wirklichkeit aber nicht denkt, dann ist es so, dass man auf der Objektebene nicht denkt, aber auf der Metaebene schon.

Insofern gibt es Scheindenken nicht. Bezogen auf die Objektebene könnte es
solches aber doch geben. 
Dietmar: Der französische Philosoph René Descartes (1596 - 1650) formulierte es radikal: "Ego cogito, ergo sum - Ich denke, also bin ich." Ist es das? 
Wir denken in Bedeutungen bzw. Begriffen. Begriffe korrespondieren normalerweise
Wörtern. Der von einem Wort gemeinte Begriff wird durch die Definition bestimmt.
Ein Säugetier ist ein Wirbeltier, welches seine Jungen mit Muttermilch ernährt. Es
gibt Ausdrücke, deren Bedeutung kaum oder gar nicht definiert ist, etwa in der
Jugendsprache
Dietmar: Besteht hier die Gefahr des Scheindenkens? 
Man kann hier von begriffslosen bzw. tendenziell begriffslosen Ausdrücken sprechen. Ähnlich verhält es sich bei Homonymen (Wörtern mit mehreren Bedeutungen), soweit ihr Charakter als Homonym unerkannt ist, wie z.B. „Demokratie“ (Herrschaft des Volkes bzw. Regierungsform).
Dietmar: Und was können wir praktisch dazu unternehmen?
Eine ganze Menge, denke ich - und zwar mit Mitteln der Rhetorik. Zum einem sollten wir immer gut überlegen, welche Begriffe wir nutzen. Sind sie dem Kommunikationspartner geläufig bzw. eindeutig verständlich? Zum anderen sollten wir Begriffe hinterfragen, die uns wenig glaubwürdig oder unverständlich erscheinen. Daraus könnten sich sogar Dispute ergeben. Und das kann nur gut sein, oder? Aber wir können auch gut prüfen, wie der Partner sein Vokabular beherrscht, um ihn als oberflächlich oder falsch denkend zu entlarven.

Wilhelm Rettler

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