Dienstag, 25. Februar 2020

Kommunikation demnächst nur digital?

Oder nur noch ein  klein wenig analog?

Eine befreundete Kollegin stellte mir diese Frage besorgt. Ich habe versucht, Ihr zu antworten:
1 - 2 - 3 - 4 - 5 = digital
mit allen fünf Fingern = analog

Liebe Heidi,

Du sprichst da ein Problem an, das relevant und zunehmend problematisch ist. Aber die Frage ist (begrifflich) nicht korrekt, und ich kann sie eindeutig nur mit nein beantworten. Das bringt uns aber nicht weiter. Gestatte mir deshalb, mich mal etwas akademischer zu äußern.

Menschliche Kommunikation ist immer analog und digital zugleich (Paul Watzlawick, 1969). Und das zeichnet sie gegenüber anderen kommunizierenden Wesen (z.B. Tiere) aus.
Als analog bezeichnet man Ausdrücke (Worte, Gesten, Symbole usw.) die ähnlich, mehrdeutig, entsprechend oder vergleichbar sind. Nehmen wir das Wort "Haus". Das könnten ein (technisches) Gebäude, ein (sozialer) Lebensraum (Wohnhaus), ein Fürstenhaus (das Haus Wettin), ein parlamentarisches Gremium (das Hohe Haus), es könnte juristisch oder biologisch-strukturell bestimmt oder sogar "Klaus, Du altes Haus" sein.

Digital kommt vom engl digit, heißt soviel wie Ziffer und ist immer eindeutig. Die Menschen fingen an digital zu kommunizieren, als sie mit den Fingern zu zählen begannen und klare Symbole, das Alphabet oder die Zahlen und die Rechenarten erfanden. Digital ist 1+1=2. 1 Mann und 1 Frau ist analog, denn das können ein Paar, eine Ehe, ein Team, ein zufälliges Zusammentreffen oder Freunde wie Du und ich sein. Schon im alten Griechenland versuchten Philosophen wie Aristoteles, Begriffe (Topoi) möglichst grundsätzlich zu bestimmen. Für die Neuzeit denke ich an Diderot (1713-1784), der versuchte, das durch seine "Enzyklopädie" zu erreichen. Ist es nicht auch heute noch so eine Art Quadratur des Kreises?

Analoge Kommunikation ist also vielfältig ausdeutbar und müsste gegebenenfalls definitorisch oder juristisch (nach Gesetzen und Urteilen), anhand von Bildern, Umschreibungen usw. näher bestimmt werden. Digital schwindeln geht eigentlich nicht, denn das kann eindeutig gemessen oder berechnet werden, wir machen es bloß nicht immer. Analog kannst Du alles.: Du kannst falsche Fakten (Prämissen) nehmen, und wenn Du sie geschickt miteinander verbindest, glaubt man sie Dir (z.B. Der Krieg ist nicht das Problem, sondern die Lösung.)

Aber nun zu Deinem Problem. Hier ist die Kommunikation mit digitalen Methoden (Schrift, Formen) oder Techniken, die nur digital arbeiten können, gemeint. Und das sind z.B. die Computer. Die können wirklich nur 1 und 0 miteinander kombinieren. Wir verschlüsseln die Eingaben über eine Tastatur und entschlüsseln die Ergebnisse über einen Bildschirm. Über die Jahrtausende hat sich die digitale Kommunikationsbefähigung der Menschen, enorm gesteigert. Man spricht heute davon, dass wir uns in der digitalen Revolution befinden, die uns in das Informationszeitalter führt, wenn wir nicht schon drin sind. Natürlich ist die analoge Kommunikation unsere wichtigste Kooperationsform (vorerst?). Aber wir können uns den Prozessen der gesellschaftlichen Digitalisierung nicht entziehen, sonst bleiben wir zurück. Angeblich sollen bereits über 90% des menschlichen Wissens digitalisiert worden sein. Etwa 90% der deutschen Haushalte haben in dieser oder jener Form Zugang zum Internet. Und der Ausdruck "künstliche Intelligenz" ist längst nicht mehr nur ein Gegenstand der utopischen Literatur. Jemanden von den Prozessen der Digitalisierung auszuschließen führt in ähnlicher Weise zu seiner sozialen Isolierung, wie jemanden in Einzelhaft zu nehmen und ihn nicht mehr mit der Außenwelt kommunizieren zu lassen. Wollen wir das?

Auf Deine Frage gibst Du am Schluss selbst die Antwort: digital und analog. So, wie Menschen möglichst gut das Lesen, Schreiben und Rechnen lernen müssen, brauchen sie auch möglichst viel digitale Medienkompetenz. Nur digital oder nur analog kann nicht funktionieren. Die ursprüngliche Formen der analogen face-to-face-Kommunikation sind nicht zu ersetzen: Vorträge im Unterricht, Diskussion im Kollegenkreis, Zeitung und Bücher lesen mit vielen Bildern, Gespräch mit Partnern, den Kindern Märchen vorlesen oder gemeinsam singen. Zur Entfaltung des Menschen und zu einer menschlichen Gesellschaft führt nur beides zusammen - analog und digital. Da mach Dir mal nicht zu große Sorgen...

Es grüßt, analog und digital,

Dietmar

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