Montag, 2. März 2020

Euphemismus – Dysphemismus


Ist Euphemismus etwas Hinterhältiges? 

von Wilhelm Rettler 






Ein Wort ist ein Zeichen, das für einen Begriff (ein Gedankengebilde) steht. Das Wort "Schrottkiste" verwendet man, wenn man ein altes, kaputtes Auto meint. Wenn man auf dasselbe alte, kaputte Auto das Wort "Edelkarosse" anwendet, so ist das beschönigend = euphemistisch. Die Bezeichnung Edelkarosse ist zwar eindeutig, man weiß, welches Auto gemeint ist, aber zugleich wird mit der Bezeichnung ein falscher Eindruck über den Zustand des Autos erweckt. 

Das Prinzip kann man umdrehen. Dann heißt das Phänomen „Dysphemismus“ (auch: Kakophemismus). Es wird etwas schlecht gemacht. Angenommen, wir haben es mit einem Auto in gutem Zustand zu tun. Es braucht sich ja gar nicht mal um eine Edelkarosse zu handeln. Wenn dieses aber als Schrottkiste bezeichnet wird, ist das ein Dysphemismus.

Euphemismen und Dysphemismen erfreuen sich großer Beliebtheit. Aktuelles Beispiel ist die NATO-Selbstbezeichnung für das Großmanöver an der russischen Grenze "Defender 2020", was auf Deutsch Verteidiger 2020 heißt. Mit Verteidigung hat das jedoch nichts zu tun. Wir wollen hoffen, dass daraus kein Krieg entsteht, aber gewollt ist die Herstellung einer Bedrohungslage. Angemessen wäre die Bezeichnung "Threatener 2020", d.h. Bedroher 2020. Aber die Nato will ja nicht zugeben, dass sie eine Bedrohung für Russland darstellt.

Euphemismen und Dysphemismen sind Falschwörter, die darauf abzielen, die Adressaten zu manipulieren. Wachsamkeit ist geboten!


Zwei weitere Beispiele:
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Es kommt oft vor, dass Aussagen als Euphemismen erscheinen sollen, aber nicht von jedem so ausgelegt werden. Das betrifft z.B. das Wort "Alternative" (Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten). Die Partei „Alternative für Deutschland“ mag für manche Politiker ein (einseitiges) Verkaufsargument sein, wird aber von vielen Menschen sehr skeptisch und als scheinheilig gesehen. Wer sich kritisch mit dem Wahlprogramm dieser Partei beschäftigt und genau darauf achtet, was manche ihrer Vertreter in der Öffentlichkeit so von sich geben, wird es wohl kaum euphemistisch sehen.

Und umgekehrt gebrauchen gerade diese Alternativen manche Aussagen zielgerichtet mit negativer (pejorativer) Bedeutung. So ist für sie das Wort Sozialismus grundsätzlich negativ belegt, nämlich als Horrormodell, und nicht als Vision von einer besseren Welt als Alternative zum herrschenden Kapitalismus. Erinnern wir daran, dass in diesem Sinne selbst in den Reihen der CDU einst der Euphemismus eines "christlichen Sozialismus" gebraucht wurde (Berlin 1946/ Ahlen 1947).

Ist das nicht höchst interessant für die programmatische Diskussion der CDU in der aktuellen Führungs- und Identitätskrise?

Die damalige Forderung lautete übrigens: Hinein in die CDU, die große deutsche sozialistische Volkspartei! Die aktuellen Befragungen lassen aus den Aussagen "groß" und "Volkspartei" zweifeln. Und über "sozialistisch" will man nicht mehr reden, wie die strikte Verweigerung einer Unterstützung der LINKEN in Thüringen zeigt. Mal sehen, wie es nach dem Wahltag (Erfurt, Mittwoch, 04.04.20) aussehen wird.

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